Leseprobe

Sales Profiling Mario Büsdorf Training
Sales Profiling Mario Büsdorf Training

Vorwort

Am 29.05.2022 kommt es zu einer Eskalation im Live-TV. Der fünfmalige Champions-League Gewinner Toni Kroos bricht nach dem 1:0 Finalsieg seines Vereins Real Madrid gegen den FC Liverpool das Interview mit dem ZDF ab.

Was war passiert? Real Madrid hat das Finale 1:0 gewonnen. Toni Kroos kommt nach dem Spiel zum Interview mit einem ZDF-Reporter. Er zeigt in seiner Körpersprache deutliche nonverbale Zeichen von Stolz. Auf eine Frage des Reporters schildert Toni Kroos, wie wichtig dieser Sieg für ihn ist. Alle seine Kinder und die Familie sind bei diesem Titelgewinn im Stadion, darauf hat er jahrelang hingearbeitet. In diesem Moment geht dieser Wunsch in Erfüllung.

Der Reporter geht hierauf nicht ein, sondern spricht Schwierigkeiten im Spiel von Real Madrid an.

Toni Kroos ist irritiert und erklärt noch einmal seinen Stolz und seine Freude.

Der Reporter fragt erneut nach Problemen im Spielaufbau. Toni Kroos bricht hierauf das Interview ab mit den Worten:

„Du hattest 90 Minuten Zeit, dir vernünftige Fragen zu überlegen und jetzt kommst du und stellst mir zwei so Scheißfragen.“

Toni Kroos verlässt die Interviewzone, der Reporter bleibt erstaunt und alleine zurück.

Dieses Interview ist ein mahnendes und Paradebeispiel zugleich für viele Gespräche im B2B-Vertrieb. Es zeigt, was passiert, wenn man die emotionalen Empfindungen des Gesprächspartners nicht wahrnimmt, den Menschen nicht lesen kann oder nicht über die Fähigkeit verfügt, das Wahrgenommene mit der richtigen Kommunikation zu begleiten.

Dieses Beispiel ist sicherlich in der Konsequenz einzigartig. Dennoch kommen solche Situationen, in denen die emotionale Situation des Gesprächspartners nicht berücksichtigt wird, jeden Tag hundertfach in B2B-Vertriebsgesprächen vor.

Die Fähigkeit, Emotionen des Gesprächspartners richtig wahrzunehmen, liegt im deutschsprachigen Bereich bei etwa 60 % (Eilert, D. W. und Langwara, R. (2019) Reliable Emotional Action Decoding Test, Testdokumentation). Im Straßenverkehr würde dies bedeuten, dass von 10 roten Ampeln 4 Ampeln regelmäßig überfahren werden. Entweder weil man die Ampel gar nicht sieht, oder weil man die Bedeutung des Rotlichtes nicht versteht. Dies würde sich im Straßenverkehr niemand trauen, in Gesprächen machen wir es allerdings. 4 von 10 Emotionen nehmen wir in Gesprächen nicht oder nicht richtig wahr. Dieses zeigt, welches Potenzial in Verkaufsgesprächen noch besteht.

Den Gedanken zu diesem Buch trug ich schon länger in mir. Das Interview mit Toni Kroos hat für mich persönlich den letzten Anstoß gegeben, dieses jetzt auch zu schreiben. Denn mein Ziel sind Verkaufsgespräche im B2B-Vertrieb, die auf Mehrwerte, Vertrauen und gegenseitigen Respekt sowie Wertschätzung zielen. Beziehungen im B2B-Umfeld sind in der Regel auf eine lange Zeit ausgelegt und benötigen genau diese wertschätzende und bedürfniserfüllende Kommunikation. Alle in diesem Buch beschriebenen Techniken eignen sich übrigens genauso im B2C-Vertrieb.

Auch wenn wir uns persönlich vermutlich niemals kennenlernen werden, danke, Toni Kroos, für dieses Interview.

Mario Büsdorf

Korschenbroich, November 2022

PS: Ich habe mir beim Schreiben dieses Buches die Freiheit genommen, die männliche Anredeform zu verwenden. Dies hat es mir beim Schreiben erleichtert, im Fluss zu bleiben und ich habe die Hoffnung, dass es Ihnen auch das Lesen erleichtert.

Die Verwendung der männlichen Form soll selbstverständlich als inklusive Form der Anrede verstanden werden und bezieht sich auf Menschen jedes Geschlechts.

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Werfen Sie einen Blick auf die speziell für dieses Buch eingerichtete Ressourcenseite.

www.mario-buesdorf.de/ressourcenseite-zum-buch-sales-profiling/

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Sie finden dort alle Downloads zu den in Kapitel 6 aufgeführten Tools:

  • Das emotionale Verkaufsskript
  • Die Präferenz-Checkliste
  • Sales-Mindset
  • „Lesen“ Sie die Gruppe während einer Präsentation
  • Wie ist Ihre Storyline?
  • Die richtige Haltung
  • Die eigene Emotionsregulation stärken
  • Die drei Schubladen
  • Die Sales-Profiling Schritt-für-Schritt-Anleitung

Diese können Sie sich als Leser kostenfrei herunterladen, verwenden und verteilen. Sollten Sie noch etwas vermissen, lassen Sie es mich wissen: mb@buesdorf-training.de

1. Was ist Sales-Profiling?

Wer als B2B-Kunde eine Ware oder eine Dienstleistung kauft, stillt ein Bedürfnis. Häufig geht es aus Sicht des B2B-Kunden um das Sicherstellen von Wachstum, Umsatz, Ertrag oder das Abwenden von Risiken für das Unternehmen. Dazu kommen die Bedürfnisse der beteiligten Personen, wie beispielsweise Karrierewünsche oder der Wunsch nach einem risikolosen Einkauf. Wer Waren oder Dienstleistungen verkauft, stillt folglich diese Bedürfnisse.

Da „Bedürfnisse“ genau wie „Vorbehalte“ oder „Einwände“ (im Gegensatz zu Mimik oder Gestik) nicht sichtbar sind, bedarf es geeigneter Techniken, um diese „sichtbar“ zu machen und sie vor allem zu verstehen. Erst wenn die persönlichkeitsbezogenen Bedürfnisse klar sind, ist es möglich, effektiv zu verkaufen und nachhaltige Kundenbeziehungen aufzubauen. Sales-Profiling unterstützt diesen Prozess, indem es die Informationen zweier Informationsquellen kombiniert:

  • die verlässlichen Hinweise der Körpersprache des Kunden im Gespräch sowie
  • das Wissen um die Persönlichkeitsfaktoren des Kunden.

In Kapitel 1 zeige ich Ihnen, wie wirksam Sales-Profiling diesen Prozess des Sichtbarmachens, des Verstehens und des Vertrauensaufbaus unterstützt und gebe Ihnen 21 gute Gründe, Sales-Profiling in der Praxis anzuwenden.

1.1 B2B-Vertrieb im Wandel

Dieses Buch ist mit dem Ziel entstanden, Sales-Profiling als erprobtes und nachhaltig wirksames Werkzeug für die Aus- und Weiterbildung von Menschen in Vertriebspositionen vorzustellen.

„Im Verkaufsgespräch läuft alles auf diesen einen Moment hinaus. In dem Moment, wo wir eine Frage stellen oder argumentieren, müssen wir erkennen, wie der Kunde reagiert.“

Ralf, Sales Manager in der Pharmabranche

Sales-Profiling unterstützt das persönlichkeitsbezogene Verkaufen. Denn in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung ist es aus Kundensicht noch nie einfacher gewesen, für annähernd jedes Produkt oder auch jede Dienstleistung im Internet einen Preisvergleich durchzuführen. So bleibt häufig der Wert eines Produktes auf der Strecke und es wird vom Käufer der Preis sowohl als Druckmittel als auch als Kriterium für den Kauf benutzt. Gleichzeitig hatten Verkäufer noch nie so gute Werkzeuge und Techniken zur Verfügung, um zu erkennen und zu verstehen, wie der Kunde auf eine Frage oder eine Aussage reagiert.

Die Herausforderung für Verkäufer liegt heute mehr denn je in der Fähigkeit, den individuellen Bedürfniserfüllungswert des Produktes oder der Dienstleistung für den Kunden zu verstehen. Der durch das Bedürfnis definierte Wert ist in der Regel höchst subjektiv und hängt unter anderem von der Motivation und den Zielen des Ansprechpartners und seines Unternehmens ab. Der Gesamtwert setzt sich demnach aus den beiden Einzelwerten „Beschaffungskosten (= Preis)“ und dem höchst persönlichen „Bedürfniserfüllungswert“ zusammen.

Der individuelle Bedürfniserfüllungswert kann von vielen Faktoren abhängen:

  • Ist der Ansprechpartner eher sicherheitsorientiert oder eher mutig?
  • Welches individuelle Bedürfnis des Ansprechpartners wird damit gestillt? Geht es um kurzfristig wirksame Ergebnisse oder denkt jemand in mittel- oder langfristigen Szenarien?
  • Geht es um den Aufbau eines neuen Lieferanten, der auch als Innovationspartner dienen kann?
  • Ist eine Beschaffung ein Teil einer größeren Strategie, wie beispielsweise Aufbau einer Eigenmarke oder eine angestrebte Marktführerschaft?

Nehmen wir ein alltägliches Beispiel aus dem B2B-Umfeld:

Ein Handelsunternehmen plant die Beschaffung neuer Kopiersysteme. Das Budget liegt bei 240.000 €. Damit sollen die Beschaffung, eine dreijährige Laufzeit des Servicevertrages sowie die Verbrauchsmaterialen abgedeckt werden.

An der Beschaffung sind drei Personen beteiligt:

  • der Einkäufer (Herr Schmitz),
  • die Einkaufsleiterin (Frau Meier) und
  • die Fachabteilung (Herr Huber).

Herr Schmitz ist an sofort wirksamen Einsparungen interessiert. Sein persönliches Jahresziel sieht eine Kostensenkung der von ihm verantworteten Warengruppen um 9 % vor. Von der Erreichung dieses Zieles hängt die Jahresbeurteilung durch seine Vorgesetzte ab.

Frau Meier hat ein anderes Ziel. Sie will neben der Ersparnis eine verlässliche Belieferung mit Verbrauchsmaterial und ausgebildete Servicekräfte sicherstellen. Wichtig ist ihr außerdem die Vision, dass der neue Partner auch zwei weitere Standorte im Ausland bedienen könnte.

Herr Huber will vor allem eine reibungslose Funktion der Geräte und vor allem der Verbrauchsmaterialien, damit ihm keine vermeidbaren Störungsfälle entstehen.

Man sieht, dass jede Person eine andere Motivation und andere persönliche Ziele mit der Beschaffung verbindet.

Firma A bietet die Beschaffung der Geräte, den Servicevertrag sowie die Verbrauchsmaterialien mit einem Gesamtvolumen von 235.000 € an. Firma B offeriert die gleichen Leistungen für 229.000 €. Der Preis scheint somit vergleichbar, da beide Anbieter identische Geräte und Leistungen anbieten.

Vor der Angebotserstellung führten beide Anbieter ein Gespräch mit dem Kunden. Der Sales-Mitarbeiter von Anbieter A stellte Fragen, um die Motive und die Persönlichkeiten von Frau Meier, Herrn Huber und Herrn Schmitz zu verstehen und beobachtete die nonverbalen Reaktionen seiner Gesprächspartner während des Gesprächs. Er verstand, dass insbesondere Frau Meier eine Vision hat, alle Standorte miteinander zu vernetzen, um so in Zukunft weitere Spareffekte zu erzielen. Er verstand auch, dass Frau Meier mit einer solchen Vision bei der Geschäftsführung punkten und ihre Karriere fördern möchte.

Der Sales-Mitarbeiter von Anbieter B ging anders vor. Er erschien vor Abgabe des Angebots zum Erstgespräch und stellte den beteiligten Personen die für ihn wichtigen Fragen. Er frug nach gewünschter Leistung sowie nach Anzahl der jeweiligen Geräte und füllte das Angebot exakt nach den Anforderungen aus.

Wer erhält nun Ihrer Meinung nach den Zuschlag?

Da es ohnehin besser ist, Kunden zu verstehen und vorausschauend zu agieren, als mit statischen Einwandbehandlungstechniken zu reagieren, ist es mir ein Anliegen, Techniken und Fähigkeiten vorzustellen, die zu einem tieferen Verständnis zwischen Kunde und Verkäufer führen. Je tiefer das Verständnis, desto weniger Einwände entstehen auf Kundenseite. Schließlich ist der beste Einwand immer noch der, der gar nicht erst entsteht. Andererseits sind Einwände in Maßen sogar erwünscht, denn jeder Einwand ist zugleich auch ein Hinweis auf ein noch nicht erfülltes Bedürfnis.

B2B-Vertrieb ist beliebig komplex.

Im Unterschied zum Verkauf an den Endkunden (Business to Customer, B2C-Verkauf) ist der B2B-Vertrieb in mehreren Dimensionen komplexer.

Ein B2B-Vertriebsablauf unterscheidet sich beispielsweise

  • in der Dauer der Vertriebszyklen vom Erstgespräch bis zum Abschluss (sehr lange Zyklen: Key-Account, bis zu Jahren oder Breitengeschäft: von „Quick and Dirty“ über wenige Wochen oder auch Monate)
  • in der Komplexität der angebotenen Produkte, oft in Kombination mit Dienstleistungen
  • in der Anzahl der regelmäßig beteiligten Ansprechpartner
  • in der Branche
  • in der Art des Produktes: physikalisches Produkt (Kopierer), virtuelles Produkt (Versicherungspolice) oder reine Dienstleistung (Consulting)
  • in der Rolle der Vertriebsperson: Direkter Vertrieb, Außendienst, indirekter Vertrieb, Großkundenbetreuer, Key-Account oder Berater, beispielsweise Pharmaberater

Für alle, die bei der Rolle „Berater“ denken „Berater sind ja gar keine Verkäufer“ ist hier ein wunderschönes Zitat von Zig Ziglar, dem vielleicht besten Vertriebstrainer den die USA jemals hatten, im Original:

“[…] Maybe you don’t hold the title of a salesperson, but if the business you are in requires you to deal with people, you, my friend, are in sales.”

Frei übersetzt: „Vielleicht trägst Du nicht den Titel eines Verkäufers, aber wenn das Geschäft, in dem Du tätig bist, erfordert, dass Du mit Menschen zu tun hast, bist Du im Verkauf tätig, mein Freund.“

Jeder Mitarbeiter, der andere Menschen auf Kundenseite oder auch im eigenen Unternehmen überzeugen möchte, ist demnach im Verkauf. Er verkauft seine Ziele.

Die Gespräche, die während eines Verkaufsprozesses geführt werden, sind naturgemäß äußerst vielfältig. Mal sind nur wenige Gespräche nötig, mal können sich Verhandlungsrunden über ein Jahr und mehr erstrecken. Ebenso vielfältig sind die Personen, die an den Gesprächen beteiligt sind. Ist es bei der einen Verhandlung der faktenorientierte Einkäufer, ist es bei einem anderen Gespräch der mutige und visionäre Geschäftsführer.

Deshalb benötigt es flexible und einfach anzuwendende Techniken, die in allen Bereichen, in allen Phasen und bei allen beteiligten Menschen im Vertriebsprozess anwendbar sind. Starre Skripte und ebenso starre Einwandbehandlungstechniken haben im professionellen Vertrieb schon lange ausgedient.

Was alle Vertriebsprozesse gemeinsam haben, ist der Faktor Mensch. Auch wenn die sogenannte künstliche Intelligenz derzeit immer mehr Einzug in unser Leben hält, Verkäufe werden noch auf lange Zeit zwischen Menschen gemacht.

Es lohnt sich also, sich mit dem Faktor Mensch und den Wirkfaktoren für eine verkaufswirksame, zwischenmenschliche Kommunikation zu befassen.

1.2 Sales-Profiling macht Verborgenes sichtbar

Jede Kundenbeziehung beginnt mit Vertrauen. Nur ein Kunde, der Ihnen vertraut, wird Ihnen auch seine tieferen Bedürfnisse mitteilen. Besteht das Vertrauensverhältnis nicht, ist die Beziehungsebene nicht intakt und alle noch so guten Argumente laufen ins Leere.

Wie gelingt es, grundsätzlich und unabhängig von verschiedenen Persönlichkeitstypen, Vertrauen aufzubauen? Dies ist ein Prozess, der umso besser gelingt, je besser Sie die Werte, Interessen, Ängste und Bedürfnisse Ihres Kunden kennenlernen. Es ist also wichtig zu sehen, was einen Kunden bewegt, motiviert oder verunsichert.

Bild 2: Dinge, die Verkäufer von Kunden sehen oder auch nicht sehen

Einige Dinge sind für Verkäufer auf Anhieb sichtbar. Dazu gehören die Mimik, die Gestik, die Körperhaltung und der Dresscode des Kunden.

Dinge, die Verkäufer hingegen nicht sehen, sind Werte, Ziele, Vorbehalte, Einwände Präferenzen oder Ängste des Kunden.